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OB-Kritik an Auswüchsen
der Unterschriftenaktion
Verschiedentlich sollen Mitglieder der Aktion "Kein Bordell für Schorndorf" jene,
die nicht unterschrieben haben, Antichrist genannt haben
Schorndorf (pm/mpf).
Kritik daran, wie die Aktion "kein Bordell für Schorndorf" Unterschriften
auf den Wochenmärkten sammelt, äußert nun in einer Pressemitteilung
Oberbürgermeister Winfried Kübler. Die "aufgeheizte Atmosphäre" sei
einer sachlichen Entscheidung abträglich.
Für Kübler wird die Diskussion um einen Bordell-Standort
in Schorndorf zur Zeit "sehr emotional geführt". Es sei
natürlich keine Frage, dass die Leute dazu ihre Meinung kundtun
dürften. Auch gegen eine Unterschriftensammlung sei grundsätzlich
nichts einzuwenden. Allerdings ließen "gewisse Auswüchse" die
Frage zu, "ob die Kampagne nicht teilweise etwas aus dem Ruder läuft,
denn so viel müsste eigentlich klar sein, dass es Passanten, die
um ihre Unterschrift gebeten werden, freigestellt bleiben muss, ob sie
dazu bereit sind". Es sei verschiedentlich vorgekommen, dass, wer
nicht unterschrieb, von den Unterschriftensammlern beschimpft wurde,
auch die Worte "dann sind sie der Antichrist" sollen gefallen
sein.
Damit, so Kübler, werden nicht nur die Regeln
des Anstandes verletzt, sondern auch jeder Respekt vor der Entscheidungsfreiheit
eines anders Denkenden verlassen. Der Antichrist gilt als die Inkarnation
des Bösen, als der personifizierte Gegenspieler Christi. Wenn
einzelne Unterschriftensammler derart aggressiv vorgehen, dann mindert
das natürlich den Wert dieser Aktion enorm. "Wer solche Engagement
an den Tag legt," entlarvt sich als intolerant. Blinder Eifer
schadet auch hier. Religiöse und politische Eiferer sind sachlichen
Argumentationen gewöhnlich nicht zugänglich und verschliessen
auch den Blick vor den Realitäten." Sowohl nach der Rechtslage
wie auch nach der gesamtgesellschaftlichen Situation könne es
nämlich nicht darum gehen, "Kein Bordell in Schorndorf",
sondern allenfalls darum, wo? Die Formulierung dieser Forderung lasse
auch außer Acht, dass es in Schorndorf schon mindestens zwei,
wenn auch nur geduldete Bordelle gibt. Andernorts wie in Böblingen,
Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen und Backnang sei die Standortfrage
respektive die Ausweisung von Toleranzzonen "längst geregelt".
Darum werde Schorndorf auch nicht herumkommen.
Etwas anderes sei für Schorndorf auch noch bemerkenswert. "Die Argumentation:
Wenn es denn schon sein muss, dann kann und darf so etwas doch nicht auf einem
von der Stadt vermieteten Gebäude stattfinden, die dafür auch noch
Geld bekommt." Wer so argumentiert, verharre in der Haltung, die der Stadt
nur solche Aufgaben überlässt, bei denen sie "garantiert nicht
auf ihre Kosten kommt". Solches habe in den letzten Jahrzehnten schon
Tradition, und diese Haltung sei ein Stück weit dafür verantwortlich,
dass "diese Stadt, obwohl sie nach dem Zweiten Weltkrieg die gleichen
Ausgangsbedingungen hatte, wie andere, inzwischen wohlhabende Städte,
in ihrer wirtschaftlichen Gesamtentwicklung stets deutlich hinterher hinkte.
Ganz haben wir diese, die Möglichkeiten der kommunalen Selbstverwaltung
völlig falsch interpretierende Denkweise offensichtlich noch nicht überwunden,
obwohl ich schon seit 14 Jahren dafür werbe", meint der OB dazu.
Die ursprünglich für Donnerstag vorgesehene Ratsentscheidung über
den Bordellstandort ist übrigens aufgeschoben, weil die Stadtverwaltung
nun zunächst einmal eine Sperrverordnung vorbereitet. Eine Entscheidung
zum jetzigen Zeitpunkt sei "dem Gemeinderat nicht zuzumuten".
Schorndorfer
Nachrichten Freitag, 18. März 2005
Bordellgegner rügen
Kübler-Kritik
Zwar Zähneknirschen, aber keine Antichrist-Beschimpfung / Nicht
in extremistische Ecke drängen
Schorndorf (pm).
Die Kritik von Oberbürgermeister Winfried Kübler an Auswüchsen
der Unterschriftensammler der Aktion "Kein Bordell für Schorndorf" wurde
nun von den Initiatoren von der Gruppe - Reiner Gutmann und Franz Laslo
aus Schorndorf, Reiner Henze und Hans Sawatzky aus Plüderhausen
- zurückgewiesen. "Wir wehren uns gegen eine Vorwegnahme von
Gerüchten als Tatsache."
Die Unterschriftensammler hätten "unseren
OB weder bei den Aktionsständen noch in der Veranstaltung mit Ex-Bordellbetreiber
Peter Töpfer gesichtet und gehört". Der eigene Eindruck
sei ein ganz anderer, "nämlich der, dass es überwiegend
gute, auf der Basis von Diskussionen durchaus auch kontrovers geführte
Gespräche mit der Bevölkerung und verschiedenen Stadträten
gab, und es möglich war, sich in der unterschiedlichen Meinung manchmal
zugegebenermaßen auch zähneknirschend stehen zu lassen.
Insbesondere unsere Luft-Ballon-Aktion
mit der Aufschrift "Suchet der Stadt
Bestes" hat eine sehr gute Resonanz innerhalb der Bevölkerung gefunden.
Wir wehren uns deshalb hauptsächlich gegen den Vorwurf, mündige Bürger
der Stadt Schorndorf beleidigt oder mit einer unzulässigen und auch theologisch
unsinnigen Titulierung wie "Antichrist" bezeichnet zu haben. Denn
mit "antichristlich" werden
in erster Linie nicht Menschen verurteilt, sondern Systeme bezeichnet, deren
Ursprung einen zerstörerischen und antigöttlichen Charakter hat.
Nur weil wir das kriminelle menschen- und frauenverachtende System, welches
hinter der Prostitution steht, mit den christlichen Grundwerten für nicht
vereinbar halten und Aufklärungsarbeit dagegen leisten wollen, bedeutet
dies noch lange nicht, dass wir die Bürger der Stadt Schorndorf als Antichristen
bezeichnen, wenn sie nicht auf unserer Liste unterschreiben wollen."
Die Aktionsgruppe kämpfe nicht gegen Menschen, sondern dafür, ein
weiteres Bordell in Schorndorf zu verhindern. "Wir lassen uns weder durch
den Hinweis auf das Antidiskriminierungsgesetz und schon gar nicht, durch den
Versuch, uns in eine intolerante und extremistische Ecke zu drängen, davon
abhalten und einschüchtern, weiterhin mit anderen Bürgern der Stadt
Schorndorf couragiert und engagiert gegen ein weiteres Bordell mit allen rechtsstaatlichen
Möglichkeiten anzugehen. Es gibt sehr wohl rechtlichen Spielraum, ein
Bordell in unserer Stadt zu verhindern. Wir erwarten gerade von unserem OB,
diesen Spielraum zum Wohle unserer Stadt auszunutzen."
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