Schorndorfer Nachrichten Mittwoch, 16. März 2005

       
 

OB-Kritik an Auswüchsen der Unterschriftenaktion
Verschiedentlich sollen Mitglieder der Aktion "Kein Bordell für Schorndorf" jene, die nicht unterschrieben haben, Antichrist genannt haben

Schorndorf (pm/mpf).
Kritik daran, wie die Aktion "kein Bordell für Schorndorf" Unterschriften auf den Wochenmärkten sammelt, äußert nun in einer Pressemitteilung Oberbürgermeister Winfried Kübler. Die "aufgeheizte Atmosphäre" sei einer sachlichen Entscheidung abträglich.

Für Kübler wird die Diskussion um einen Bordell-Standort in Schorndorf zur Zeit "sehr emotional geführt". Es sei natürlich keine Frage, dass die Leute dazu ihre Meinung kundtun dürften. Auch gegen eine Unterschriftensammlung sei grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings ließen "gewisse Auswüchse" die Frage zu, "ob die Kampagne nicht teilweise etwas aus dem Ruder läuft, denn so viel müsste eigentlich klar sein, dass es Passanten, die um ihre Unterschrift gebeten werden, freigestellt bleiben muss, ob sie dazu bereit sind". Es sei verschiedentlich vorgekommen, dass, wer nicht unterschrieb, von den Unterschriftensammlern beschimpft wurde, auch die Worte "dann sind sie der Antichrist" sollen gefallen sein.

Damit, so Kübler, werden nicht nur die Regeln des Anstandes verletzt, sondern auch jeder Respekt vor der Entscheidungsfreiheit eines anders Denkenden verlassen. Der Antichrist gilt als die Inkarnation des Bösen, als der personifizierte Gegenspieler Christi. Wenn einzelne Unterschriftensammler derart aggressiv vorgehen, dann mindert das natürlich den Wert dieser Aktion enorm. "Wer solche Engagement an den Tag legt," entlarvt sich als intolerant. Blinder Eifer schadet auch hier. Religiöse und politische Eiferer sind sachlichen Argumentationen gewöhnlich nicht zugänglich und verschliessen auch den Blick vor den Realitäten." Sowohl nach der Rechtslage wie auch nach der gesamtgesellschaftlichen Situation könne es nämlich nicht darum gehen, "Kein Bordell in Schorndorf", sondern allenfalls darum, wo? Die Formulierung dieser Forderung lasse auch außer Acht, dass es in Schorndorf schon mindestens zwei, wenn auch nur geduldete Bordelle gibt. Andernorts wie in Böblingen, Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen und Backnang sei die Standortfrage respektive die Ausweisung von Toleranzzonen "längst geregelt". Darum werde Schorndorf auch nicht herumkommen.

Etwas anderes sei für Schorndorf auch noch bemerkenswert. "Die Argumentation: Wenn es denn schon sein muss, dann kann und darf so etwas doch nicht auf einem von der Stadt vermieteten Gebäude stattfinden, die dafür auch noch Geld bekommt." Wer so argumentiert, verharre in der Haltung, die der Stadt nur solche Aufgaben überlässt, bei denen sie "garantiert nicht auf ihre Kosten kommt". Solches habe in den letzten Jahrzehnten schon Tradition, und diese Haltung sei ein Stück weit dafür verantwortlich, dass "diese Stadt, obwohl sie nach dem Zweiten Weltkrieg die gleichen Ausgangsbedingungen hatte, wie andere, inzwischen wohlhabende Städte, in ihrer wirtschaftlichen Gesamtentwicklung stets deutlich hinterher hinkte. Ganz haben wir diese, die Möglichkeiten der kommunalen Selbstverwaltung völlig falsch interpretierende Denkweise offensichtlich noch nicht überwunden, obwohl ich schon seit 14 Jahren dafür werbe", meint der OB dazu.

Die ursprünglich für Donnerstag vorgesehene Ratsentscheidung über den Bordellstandort ist übrigens aufgeschoben, weil die Stadtverwaltung nun zunächst einmal eine Sperrverordnung vorbereitet. Eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt sei "dem Gemeinderat nicht zuzumuten".


Schorndorfer Nachrichten Freitag, 18. März 2005

Bordellgegner rügen Kübler-Kritik

Zwar Zähneknirschen, aber keine Antichrist-Beschimpfung / Nicht in extremistische Ecke drängen

Schorndorf (pm).
Die Kritik von Oberbürgermeister Winfried Kübler an Auswüchsen der Unterschriftensammler der Aktion "Kein Bordell für Schorndorf" wurde nun von den Initiatoren von der Gruppe - Reiner Gutmann und Franz Laslo aus Schorndorf, Reiner Henze und Hans Sawatzky aus Plüderhausen - zurückgewiesen. "Wir wehren uns gegen eine Vorwegnahme von Gerüchten als Tatsache."

Die Unterschriftensammler hätten "unseren OB weder bei den Aktionsständen noch in der Veranstaltung mit Ex-Bordellbetreiber Peter Töpfer gesichtet und gehört". Der eigene Eindruck sei ein ganz anderer, "nämlich der, dass es überwiegend gute, auf der Basis von Diskussionen durchaus auch kontrovers geführte Gespräche mit der Bevölkerung und verschiedenen Stadträten gab, und es möglich war, sich in der unterschiedlichen Meinung manchmal zugegebenermaßen auch zähneknirschend stehen zu lassen.

Insbesondere unsere Luft-Ballon-Aktion mit der Aufschrift "Suchet der Stadt Bestes" hat eine sehr gute Resonanz innerhalb der Bevölkerung gefunden. Wir wehren uns deshalb hauptsächlich gegen den Vorwurf, mündige Bürger der Stadt Schorndorf beleidigt oder mit einer unzulässigen und auch theologisch unsinnigen Titulierung wie "Antichrist" bezeichnet zu haben. Denn mit "antichristlich" werden in erster Linie nicht Menschen verurteilt, sondern Systeme bezeichnet, deren Ursprung einen zerstörerischen und antigöttlichen Charakter hat. Nur weil wir das kriminelle menschen- und frauenverachtende System, welches hinter der Prostitution steht, mit den christlichen Grundwerten für nicht vereinbar halten und Aufklärungsarbeit dagegen leisten wollen, bedeutet dies noch lange nicht, dass wir die Bürger der Stadt Schorndorf als Antichristen bezeichnen, wenn sie nicht auf unserer Liste unterschreiben wollen."

Die Aktionsgruppe kämpfe nicht gegen Menschen, sondern dafür, ein weiteres Bordell in Schorndorf zu verhindern. "Wir lassen uns weder durch den Hinweis auf das Antidiskriminierungsgesetz und schon gar nicht, durch den Versuch, uns in eine intolerante und extremistische Ecke zu drängen, davon abhalten und einschüchtern, weiterhin mit anderen Bürgern der Stadt Schorndorf couragiert und engagiert gegen ein weiteres Bordell mit allen rechtsstaatlichen Möglichkeiten anzugehen. Es gibt sehr wohl rechtlichen Spielraum, ein Bordell in unserer Stadt zu verhindern. Wir erwarten gerade von unserem OB, diesen Spielraum zum Wohle unserer Stadt auszunutzen."